Spelle. Fußballmärchen werden nur selten wahr: Nach nur einer Saison muss der SC Spelle-Venhaus die Regionalliga Nord wieder verlassen. Der Blick auf die Tabelle lässt viele Wünsche unerfüllt. Aber es war kein verlorenes Jahr für die Schwarz-Weißen. Ganz im Gegenteil.
Zum Sportlichen: Zwölf Punkte in 34 Spielen sind bitter wenig. Es hätten ein paar mehr sein können. Ob es zum Klassenerhalt gereicht hätte? Das ist eine unerhebliche Spekulation. Selbst doppelt so viele Zähler hätten einen Platz unter dem Strich bedeutet. Der SCSV belegt in allen rechnerischen Kategorien der Tabelle den letzten Platz: Er ist Schlusslicht in der Gesamtstatistik, in der Heim-, der Auswärts-, der Hin- und der Rückrundentabelle. Er hat die wenigsten Tore geschossen, die meisten kassiert.
Einige Male war die Speller Mannschaft einfach überfordert. Das 2:9 beim Meister Hannover, ein Graus. Wenn alle Spieler fit gewesen wären, wäre der Saisonverlauf sicher besser gewesen. Aber die SCSV-Amateure, die mit dem kleinsten Etat der Liga auskommen mussten, waren den vielen Halb- und Vollprofis auf Dauer nicht gewachsen. Auch weil die Bedingungen so unterschiedlich sind: Hier die Vollzeit-Beschäftigten mit 40-Stunden-Woche und Studenten, die nebenbei Fußball spielen, dort die Vollzeit-Fußballer, die sich ganz auf ihre Sportart konzentrieren können.
Die Hoffnung, dass der SCSV die Kluft länger durch Einsatz, Euphorie und mannschaftliche Geschlossenheit gering halten könnte, hat sich nicht erfüllt. Aber – und das ist das Wichtigste: Der SC Spelle-Venhaus ist nicht am knappen Punktekonto zerbrochen. Weder die Mannschaft noch der Verein.
Trainer Hanjo Vocks stand nie ernsthaft zur Disposition. Der Erfolgsgarant der vergangenen Jahre ist trotz 25 sieglosen Spielen in Serie geblieben. Genau wie bei Bundesliga-Schlusslicht Thorsten Lieberknecht nach 22 Partien ohne Dreier. Die Ausnahmen. Was wäre wohl bei vielen anderen Vereinen los gewesen. „Nach den Gesetzen des Fußballs…“ Das ist in Spelle nicht passiert. Das hat sicher auch für Fragen gesorgt. Aber der SCSV, der sich in den vergangenen mindestens 50 Jahren unter größten Bedenken nur von zwei Trainern getrennt hat, ist seiner Linie treu geblieben. Eine Seltenheit in den höchsten vier Ligen in Deutschland. Allein in der Regionalliga Nord hat fast die Hälfte der Clubs in der gerade beendeten Saison den Trainer ausgewechselt (8).
Obwohl Angebote von Spielern von vier Kontinenten vorlagen, hat der Sportliche Leiter Markus Schütte im Winter keine Profis dazugeholt. Denn sie passten nicht ins finanzielle Konzept. Und nicht zur Philosophie, die die Fußballabteilung in den vergangenen Jahren entwickelt hat und nicht einfach über den Haufen werfen wollte. „Der Verein steht an erster Stelle“, stellt Schütte fest. Auch hier blieben die Verantwortlichen standfest. Alle Spieler stammen aus der Region.
Auch wenn die sportliche Ausbeute nicht wie erhofft ausfiel, gab es wenig bis keinen Stress bei den Schwarz-Weißen. Bei Spielen wurde mal geschimpft auf der Tribüne, gelegentlich sogar gepfiffen, nach dem Schlusspfiff aber wurde die Mannschaft gefeiert. Denn alle wussten vor dem Anpfiff der ersten Regionalliga-Partie, wie schwer die Saison werden würde. Ein unvergessener Augenblick: Den Speller Treffer zum 1:6 gegen den FC St. Pauli II feierten die Fans wie einen Siegtreffer. Sie meinten den Jubel ernst, das war kleine Häme.
Überhaupt: die Zuschauer und die Fans. Der Verein hatte mit einem Schnitt von 600 Besuchern pro Heimspiel kalkuliert, auf 800 gehofft. Nach 17 Spielen im Getränke Hoffmann Stadion liegt er bei beachtlichen 770. Beim Derby gegen Meppen war es mit 3746 Besuchern erstmals in einem Punktspiel ausverkauft. Die Resonanz war gut.
Zumindest auf Jahre werden die Szenen beim Derby in Meppen in Erinnerung bleiben: Wie die Fans die Mannschaft vor dem Spiel mit einer Choreo empfingen, sie während der Partie leidenschaftlich anfeuerten und sie nach dem 0:3 im Regen für einen starken Auftritt feierten. Davon kann der SCSV noch lange zehren. Das war für die Freunde und Anhänger des Vereins der Gänsehaut-Moment der Regionalliga-Saison, der sich ins Gedächtnis einbrennt. Über dem 22 Meter langen Spruchband mit der Zeile „Und wenn wir gehen, dann so, wie wir gekommen sind“ aus dem Song „Komet“ von Udo Lindenberg & Apache 207 war ein über fünf Quadratmeter großes entflammtes Logo des SC Spelle-Venhaus zu sehen. Nach Angaben der Fans sollte es zeigen, „dass wir dankbar sind für die Regionalliga Nord, dass wir stolz sind auf die Mannschaft“. Besser kann man seine Sympathien nicht ausdrücken!
Der SC Spelle-Venhaus hat das Jahr in der Regionalliga genutzt. Der fußballerisch weiße Fleck ist jetzt auch für Vereine aus Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein getilgt. Die Schwarz-Weißen sind viel bekannter geworden. Auch wenn es für die Auswärtsfahrten keinen Bus mit SCSV-Wappen und Vereinsnamen gab. Schade. Ihre Sportanlagen lösten Erstaunen bei einigen Gegnern aus. Gastfreundschaft wurde groß geschrieben. Die Fußballer sind Sympathieträger, haben den Verein und die Kommune bekannt gemacht. Sie haben erfahren, dass sie für Werbepartner interessant sind. Nicht unwichtig für den Club mit gut 2700 Mitgliedern.
Die Saison in der Regionalliga hinterlässt keinen Trümmerhaufen in Spelle. Weder finanziell noch sportlich. Andere Vereine des Kreises haben sich auf dem Weg zu Punktspiel-Derbys gegen den SV Meppen finanziell verausgabt. Der SC Spelle-Venhaus nicht. Den Weg beschreitet der SCSV seit Jahren. Es hat auch für das „Abenteuer Regionalliga“ keine Ausnahme gegeben.
Wenn der Verein noch etwas mitnimmt, dann die Erfahrung, dass er mit seinen vielen ehrenamtlichen Helfern einiges leisten kann. Den Beweis lieferte er nicht nur beim Derby daheim.
Auch die Mannschaft fällt nicht auseinander. Sieben Spieler sowie die Trainer Hanjo Vocks und Jonas Gottwald verlassen den Verein. Aber 17 Fußballer sind geblieben, haben für ihre sportliche Entwicklung wichtige Erfahrungen gesammelt. Die können sie in der Oberliga nutzen. Der Hunger nach Siegen ist sicher groß.
Text: Uli Mentrup / SC Spelle-Venhaus