Lingen Der Lingener Max Nie-Hoegen ist gerade Mal 24 Jahre Jahre alt und bereits als Schiedsrichter-Assistent in der 3. Liga unterwegs. Sein persönliches Highlight bisher: Das Emsland-Derby zwischen SC Spelle-Venhaus und dem SV Meppen am vergangenen Samstag in der Regionalliga Nord – als Hauptschiedsrichter. Im Interview mit Vereins-Funk berichtet Nie-Hoegen von flapsigen Sprüchen im Vorfeld des Derbys, wie er die Stimmung im Getränke-Hoffmann-Stadion empfunden hat, und was seine persönlichen Ziele als Schiedsrichter sind.
Herr Nie-Hoegen, was haben Sie empfunden, als Sie für das Emsland-Derby als Hauptschiedsrichter zugeteilt worden sind?
Nie-Hoegen: Es gibt in Lingen eine große SV-Meppen-Fanbase. Als zum Ende der vergangenen Saison klar war, der SV Meppen steigt in die Regionalliga ab und Spelle steigt auf, kamen damals bereits die ersten Witze, dass ich ja dann das Derby leiten muss. Das war bis dahin ein Gag. Ich hätte nie gedacht, dass ich aufgrund der räumlichen Nähe für so ein Spiel in Betracht gezogen werde. Die Vorfreude auf das Derby war bei mir sehr groß und anders als bei anderen Spielen. Es war etwas ganz Besonderes, da ich so ein Spiel noch nie gepfiffen habe und wahrscheinlich auch nie wieder pfeifen werde, wo einen als Schiedsrichter so viele Leute kennen. Es hat also ein Umfeld auf dich gewartet, das den Schiedsrichter persönlich kennt. Es waren viele Freunde und Arbeitskollegen und viele weitere Personen, die man über den Fußball hier in der Region bereits kennengelernt hat, vor Ort. Zudem kannte ich auch einige Spieler. In der Emslandauswahl habe ich früher mit dem einen oder anderen Spieler zusammengespielt. Mattis Niemann (Torhüter SC Spelle-Venhaus, Anm. d. Red.) war früher in der Jugend-Mannschaft in Darme, die von meinem Vater trainiert wurde und in der auch mein kleiner Bruder gespielt hat. Ich bin darüber auch zur Schiedsrichterei gekommen. In den unteren Altersklassen wurden noch keine neutralen Schiedsrichter angesetzt, deswegen durfte ich meistens diese Spiele pfeifen. Und so sieht man sich dann wieder.
Wie haben Sie sich auf die Partie vorbereitet? Haben Sie sich viele Gedanken gemacht?
Ich hole mir normalerweise nicht so unfassbar viele Informationen aus Zeitungen oder schaue, welcher Spieler, wie viele Gelbe Karten hat. Ich will lieber unvoreingenommen in ein Spiel gehen. In diesem Fall konnte ich aber gar nicht vor den Informationen fliehen. Du liest natürlich deine eigene Zeitung, die dann im Vorfeld über das Derby berichtet. Du sprichst auf der Arbeit über das Spiel, und so weiter. Vor über 3700 Zuschauern Entscheidungen zu treffen, habe ich bereits durch Einsätze als Schiedsrichter-Assistent in der 3. Liga kennengelernt. Das kann ich schnell ausblenden. Es war eine super Kulisse und eine ganz besondere Stimmung, aber es hat mich nicht nervös gemacht.
Die Partie stand am Vortag witterungsbedingt noch auf der Kippe. Am Samstag haben Sie die beiden Teams dann auf das Feld geführt. Das ist für Sie persönlich sicherlich ein ganz besonderer Moment gewesen, oder?
Das war tatsächlich sehr besonders. Vor allem, da beide Teams und wir Schiedsrichter uns auf einem Nebenplatz vorher warmgemacht haben. Das kommt normalerweise nicht vor. Ich liebe das Aufwärmen eigentlich, da man mit freiem Kopf und ohne Druck die ganze Stimmung aufsaugen kann. So kann man sich schonmal einen guten Gesamteindruck machen. Jeder Platz ist irgendwie anders. Da hat man normalerweise direkt eine Bindung. Und das fehlte diesmal. Das war erstmal ein komisches Gefühl. Aber ich habe es auch total genossen.
Sie haben eine souveräne Leistung während der 90 Minuten gezeigt und teilweise auch Fingerspitzengefühl bewiesen. Ich denke da vor allem an ein Foul vom bereits gelb verwarnten Timo Nichau kurz vor der Halbzeit. Was haben Sie den Spielern während des Spiels mit auf den Weg gegeben?
Man kann in der Situation sicherlich eine gelbe Karte geben. Es lief allerdings bereits die Nachspielzeit der ersten Halbzeit. Ich hatte eine super Bindung zum Spiel. Beide Teams haben sich auf das Fußballspielen konzentriert und ich stand als Schiedsrichter bis dahin nicht im Mittelpunkt. Mir fehlte bei dem Foul die hundertprozentige Überzeugung dabei jemanden vom Platz zu schicken. Deswegen habe ich mich so entschieden. Ich habe schnell gemerkt, obwohl von Meppener Spielern Fragen kamen, warum das nicht die zweite gelbe Karte ist, dass es absolut akzeptiert wurde. Ich muss auch sagen, dass beim Derby alle Spieler pflegeleicht waren. Es war keine Szene dabei, bei der sich wirklich jemand unsportlich aufgeführt hat. Ich habe vor dem Spiel zu meinen Kollegen gesagt: Egal, ob wir hier alles richtig oder einen Fehler machen, ich möchte, dass die Zuschauer hier rausgehen und sagen, dass man dem Schiedsrichter den Spaß angesehen und er Ruhe ausgestrahlt hat – wenn die Zuschauer überhaupt über uns reden. Das war unsere Devise. Das hat auch ganz gut geklappt. Und wir konnten die Spieler mit unserer positiven Ruhe mitnehmen.
Sie sprechen ihre Assistenten an. Ich habe eine Situation mitbekommen, in der Sie und der Linienrichter miteinander über ihr Headset kommunizieren und lachen müssen. Was reden Schiedsrichter so während des Spiels?
Es ist wichtig eine gewisse Funkdisziplin drin zu haben. Du kannst auf dem Platz so gut drin sein, wie du willst und auf einmal ist es nach einer Aktion ganz anders. Wenn man sich also darüber zu sehr ablenkt, kann es auch nach hinten losgehen. Aber man kann untereinander auch mal einen flapsigen Spruch bringen. (schmunzelt)
Sie haben bereits erzählt, dass Sie Schiedsrichter-Assistent in der 3. Liga sind. Wie sieht derzeit der Terminkalender als Schiedsrichter bei Ihnen aus?
Ich pfeife im zweiten Jahr als Hauptschiedsrichter in der Regionalliga. Seit dieser Saison werde ich zudem als Schiedsrichter-Assistent in der 3. Liga eingesetzt. Ich bin bei Lukas Benen aus Nordhorn an der Linie. Lukas ist bereits in seinem fünften Schiedsrichter-Jahr in der 3. Liga und sehr erfahren. Er zeigt sehr gute Leistungen und darf in diesem Jahr sehr coole Paarungen leiten. Wir waren am 1. Spieltag bei der Partie Aue gegen Ingolstadt. Danach kam Essen gegen Münster in einem nahezu ausverkauften Stadion an der Hafenstraße. Dann folgte Verl gegen Bielefeld und vor einigen Tagen das Duell Erster gegen Zweiter in der 3. Liga – Ulm gegen Dresden. Das ist schon eine Wucht an Spielen und ich habe einfach Glück, bei solchen Spielen von Lukas mitfahren zu dürfen. Dafür bin ich total dankbar. Das sind super Erfahrungen, die ich da sammle. Das ist ein großes Privileg.
Sie sind also bundesweit unterwegs. Kriegen Sie das mit Ihrem Job als Sachbearbeiter der Wirtschaftsförderung Lingen zeitlich alles unter einen Hut?
Ich bin momentan fast an jedem Wochenende unterwegs. Es gibt auch mal spielfreie Wochenenden, aber normalerweise ist es ein Spiel am Wochenende. Oder auch mal unter der Woche. Ich bin dazu noch im Perspektivteam vom DFB. Das ist ein Kader aus jüngeren Regionalliga-Schiedsrichtern, die auch in der 3. Liga bereits Assistenten sind und denen als Nächstes der Sprung nach oben zugetraut wird. Das ist ein ganz besonderes Förderprogramm. Da haben wir mindestens einen Termin im Monat, an dem wir uns online oder in Präsenz zusammenfinden. Wir arbeiten mit einem Fitnesstrainer zusammen, der uns individuelle Pläne an die Hand gibt, die wir abzuarbeiten haben und die Ergebnisse mit einer Sportuhr festhalten müssen. Wir bekommen mittwochs immer ein Reporting aus Szenen vom vorherigen Wochenende. Man muss konditionell fit sein und eine gute Ausstrahlung haben. Es ist auf dem Level extrem professionell.
Wo soll Ihr Weg als Schiedsrichter noch hingehen?
Bundesliga ist auf jeden Fall ein Traum, aber das ist noch viel zu weit weg, um es als Ziel zu definieren. Derzeit ist das Ziel für mich erstmal die nächsthöhere Liga. Bisher lief es in dieser Saison sehr gut für mich. Ich habe großes Selbstvertrauen gesammelt. Bis zur Bundesliga steht aber noch viel dazwischen. Da gehört auch Glück dazu.